Im hinteren Teil eines Neuköllner Handyshops sitzt ein Mann telefonierend hinter einer provisorisch angebrachten Plastikscheibe. Ich packe mein Telefon aus, das er sich mal ansehen soll.

„Ja, verstehe Mann. Hm. Wo bist Du gerade? Istanbul? Okay, lass mich wissen, wenn es was Neues gibt.“ Er nickt, während er sich das Handy ans Ohr hält.

Er legt auf und kommt zu mir an die Plastikscheibe.
„Katastrophe, Katastrophe…“ Sagt er zur Begrüßung.
„Was meinen Sie?“
„In der Türkei. Ich bin nicht von dort, aber heute Morgen bin ich an einem türkischen Laden hier um die Ecke vorbei gefahren und der hatte zu und der hat sonst immer auf. Und dann hat mir jemand erzählt, dass seine Schwester und seine Nichten nicht mehr erreichbar sind. Sie leben in dem Erdbebengebiet.“ Er seufzt schwer.
Ich schlage die Hände vor dem Gesicht zusammen. Mit voller Wucht treten die Nachrichten nach, einen ganz unverwandt in das Geschehen hinein, mitten in diese fernen Bilder der online-News mit ihren großen Überschriften – schwarz auf weiß: Zahlen von Verletzten und Toten, die stündlich steigen.
„Es geht kein Flug mehr dorthin.“ Sagt er. „Alles kaputt. Jetzt wird er mit dem Auto unterwegs sein…“
Wir beide stehen in diesem wuseligen Handyshop und ein Mann schließt hier in Neukölln seinen Laden ab und fährt los in ein Erdbebengebiet – seine Schwester suchen.