High Life in Tüten: vor mir zwei Vierer voll mit Schwäbinnen/ Schwaben. Hinter mir eine von unzähligen Schulgruppen an diesem Tag einer Altersgruppe: ewig anstrengend. 
Und hinzu kommt: Ladekabel liegen gelassen, die verbleibenden 50% müssen für 5h Fahrt gut eingeteilt werden, daher auch keine Flucht in Ohrstöpsel möglich. Nun gut.
Von hinten dröhnen diese ganz schlechten Songs aus den Nuller Jahren, wie kam man nur auf so einfallslose Melodien und noch geistlosere Refrains? Bzw. wie kommt man darauf, seine Umwelt mit diesem Bullshit zu belästigen?

Vor mir scheinen die rüstigen Schwäbinnen und Schwaben sich warm zu laufen (7:30h): ein Giggeln und Gaggeln und munteres Kommentieren, in dessen Singsang ich mich tatsächlich rein entspanne.
„Mei… isch könnt scho a Kaffee vertragn… wer geht?“ 

Das Boardbistro ist in Wagen 10, wir sitzen in 4 und selbst für noch fittere Körper ist so ein Ritt durch sechs Wagons mit einem vollen Tablett in der Hand mehr als ein wackliger Balanceakt. Sie scheinen sich noch nicht auszukäsen.
„A Eiskaffee is aa was Feines… schö aufgegosse, dann uff de Terrass kühl werde lasse un dann in Kühlschrank… herrlisch.“
„A kaltes Weizenbier tut es aba aa…“
„A Weizenkaltschale is mia aa lieba…“
„Na, da kommt ja jemand mit de Kaffee! Was macht das fia Sie?“
„3,90 bekomm ich für einen.“
„Kann ich Ihne aa 4,- gebbe?“
„Na klar, brauchen Sie eine Quittung für die 10 Cent?“
„Das habe Se gerad im Kopf aasgereschnet?“
„Haha!“
„Wofür denn a Quittung?“
„Na, einige können den Kaffee absetzen.“
„Ach, aus dem Alta sin wa raus.“

Die Kids von hinten stürmen bei jedem Halt mit ihren E-Zigaretten an den Schwäbinnen und Schwaben vorbei zum Ausgang. 
„Ach, de Raucher mal widda… jetz’ aba schnell!“ 
Die Kids stehen vor der Wagentür und paffen schnell ein paar Wolken in die Luft.
Als es weiter geht, stapfen sie munter durch das Abteil.
„Habt Ihr durchgezschählt? Isch der mit de rodde T-Shirt un den dunklen Locke a widda do?“

„Ja, weischt, jetz meint doch mei Enkelin, dasse bessa Hochdeutsch spresche soll… also nee, gansch ehrlisch, also gansch ehrlisch, isch find des ned guud… nee also ehrlisch ned… Du, ma schwätze halt schwäbisch, des is nu mal so un Du, wenn die Ellen mal rischtisch berlinern tut, Du, dann verschtesch aa nix!“

Durchsage vom Zugchef: „Wir haben eine aktuelle Verspätung von zwölf Minuten, wegen den Rauchern in Wagen 2.“
„Haha, aba ned wege unsern!“
Von hinten Gejohle. Beim nächsten Halt im Gänsemarsch wieder vor die Tür.

Bei all dem „Weischt… haschte das gehört… Na, ganz arg… aa ned… ach… Gulasch … hörschte…“ nicke ich tatsächlich immer wieder weg. 
Im Halbschlaf dringen immer wieder Sätze durch:

„Wir habe Daimler da beschucht…“
„De habbe ganz viele Autos da schtehe…“
„Na, de habbe halt Geld…“
„Wie habt Ihr de beschucht…?“
„Wir habbe a Tour gemacht mit de VHS. Un in da Kantine waarn wa aach.“
„In Sindelfingen?“
„Ja. Un zu Audi gehen wir aa a mal. Mit de VHS.“

Durchsage: „Da der Streckenabschnitt hier nur eingleisig befahrbar ist, müssen wir auf einen entgegen kommenden Zug warten. Wir bitten um Ihr Verständnis.“
„Ham’Se! Wir schtande ma vier Schtunde auf so ana Gleis… un da ham wa unsern Flug nach Südamerika vapascht. Du, dann sin wa halt zwa Tage schpäta geflogen. Macht ja aa nix.“

Halt in Lutherstadt Wittenberge. Die Kids wieder raus.
„Hier waarn wa da aa a mal.“
„Aba ned mit de Schtammtisch!“
Ein Bahnmitarbeiter pfeift auf dem Bahnsteig gellend in eine Pfeife.
„So was gibt’s noch?“
„Des gibt’s no in Lutherschtadt!“

Durchsage: „Unsere Kollegen im Boardbistro freuen sich auf Ihren Besuch!“
„Hadda jetz‘ ‚Kollegen‘ oder ‚Kolleginnen‘ gesacht?“
„Kollegen!“
„Also gibtsch da kei Frau?“
„Wohl ned.“
„Eigenartisch…“

Rascheln in einer Zeitung. „Ach da Lieroi Sahne… da habe se a gude Schpieler… beim FC Bayern… tob.“

Am Südkreuz steige ich aus. Wieder rennen selbst für diese wenigen Sekunden die Kids raus auf den Bahnsteig.
Bei Wagen 8 steht eine Bahnmitarbeiterin. Voller Ingrimm schaut sie zu den vier Wagen weiter lümmelnden Jungs und brüllt los: „Hey! Einsteigen!!! Aber SOFORT!“
Kraft mit einer guten Mischung Wut, 15 Minuten Verspätung und ne Menge schanft genuschelter Wortwolken… eine Zschugfahrt, die isch luschtig, eine Zschugfahrt die isch…lang.