Die Feuerwehr ist da!

Freitag Morgen auf dem Rad durch Kreuzberg. Es ist wegen der Winterferien noch angenehm ruhig in den Straßen und man kann meditativ seine Wege dahin rollen ohne auf andere Kamikaze-Fahrradfahrer, Autokolonnen oder lärmende Schüler achten zu müssen.

Um die Ecke gebummelt wird der klare Wintermorgen jäh von stummen Blaulicht eines auf der Admiralbrücke parkenden Feuerwehrwagens durchbrochen. Ein weiterer Einsatzwagen steht direkt davor. Die wenigen Mütter, die mir heute mit ihren Sprösslingen entgegen kommen, lassen mich bereits einen der üblichen Sätze vernehmen: „Jaaa, da ist die Feuerweeeehr…“

Im Rahmen der leidlichen Diskussionen über Schaulustige, die Helfer an ihrer Arbeit hindern, habe ich mir angewöhnt schnurstracks an einem Ort des Geschehens (wenn denn Helfer vor Ort sind) ohne Blick nach rechts und links vorbei zu ziehen. Doch als ich der Brücke näher komme, kann ich dennoch aus den Augenwinkeln erkennen, dass die Feuerwehrleute hinter dem Zaun am Ufer stehen und sich eine Traube von Menschen auf der Brücke versammelt hat, die nach unten auf’s Wasser starrt.

Oh nein, ist da jemand eingebrochen? Aber es gibt doch gar kein Eis auf dem Kanal… ein Betrunkener mal wieder? Wie kann man da nur so gaffen!
Ich fahre über die Brücke und betrachte wütend die schaulustige Meute. Auf der anderen Seite sehe ich zwei Männer von der BSR, der eine hält sein Handy auf die Szenerie und filmt das Vorgehen der Feuerwehrmänner.
Angriffslustig bleibe ich stehen, will den jungen Mann zurecht weisen, ob er sich nicht schämt hier seinen persönlichen Voyeurismus zu bedienen.

Für einen Moment schaue ich auf den Fluss zu unseren Füßen. Eine sehr lange Leiter wurde vom der hohen Ufermauer ins Wasser hinunter gelassen, ein Feuerwehrmann in einem gelben Ganzkörper-Gummianzug samt Gummikopfbezug steht am unteren Ende, sein Unterkörper im sicherlich eiskalten Wasser. In seiner linken Hand hält er einen Katzenkorb. Zu seiner rechten Seite befindet sich auf einem Steinsockel ein grau-schwarz getigerte Katze.

Ich stoße einen leisen Schrei aus, lasse mein Fahrrad fallen und schiebe mich zwischen die beiden BSR-Leute. Verblüffung, Überraschung, Entsetzen, aber auch Verwunderung über eine irritierende Situation. Da sitzt an einem winterlichen Freitag Morgen eine Katze unter einer Brücke des Landwehrkanals auf einem Steinsockel, um sie herum nur Wasser und die glitschige Steinwand, an der sie anscheinend aus eigener Kraft nicht wieder hoch gekommen ist. Ihr Weinen muss einigen Passanten aufgefallen sein, die dann wohl (tja, wen auch sonst) die Feuerwehr riefen.

Nun stehen wir da und sehen unseren Helden bei der Rettungsaktion zu. Der Gummi-Feuerwehrmann bewegt sich mit dem Katzenkorb nach rechts zur Katze hin, die traut dem gelben Gummi-Typen nicht, springt nach links über ihn und versucht verzweifelt an der Steinwand Halt zu finden. Sie rutscht ab und fällt platschend ins Wasser.

Ein erschrecktes Raunen und Stöhnen geht durch die Menge, „Oh“, „Ah“, „Oh Nein!“ Kinder schreien auf, auch ich finde meinen aufgeregtes Rufen darunter. Ich schlage die Hände vor dem Gesicht zusammen und trete aufgeregt von einem Bein auf’s andere. Die BSR-Jungs schauen mich kurz etwas abschätzig an.

Das Wasser muss sehr kalt sein, denn die Katze ist flugs wieder auf dem Steinsockel geklettert. Die Aktion beginnt von vorne. Wieder bewegt sich der Feuerwehrmann nach rechts, hält den Katzenkorb geöffnet in die Richtung der Katze, kommt ihr schon näher, packt sie, doch die Katze ist schneller, springt erneut über seinen Kopf die Wand hinauf, kommt diesmal ein bisschen höher, hält sich wie Spiderman an den Steinplatten fest, bevor sie abrutscht und eine weniger elegante Landung im Wasser hinlegt. Die Brücke geht wie eine aufbrandende Welle mit. Ersticktes Aufschreien, Kinder jammern, ich weiß gar nicht, wohin mit mir.

Wieder springt das Katzentier auf den Sockel, ich frage mich, ob sie so durchnässt bei diesen Minusgraden wie wir Menschen auch eine Grippe bekommen kann? Ich schaue hoch zu den Männern in Feuerwehrmontur am oberen Ende der Leiter. Im Gegensatz zu uns leidenden Zuschauern beobachten sie gelassen und gefasst das Tun ihres Kollegen. Kein Wort wird untereinander gewechselt. Was gäbe es auch gerade zu sagen. Sie haben schon andere Dinge gesehen.

Beim dritten Versuch klappt es! Die Katze landet im Katzenkorb, ruhig verschließt ihn der Gummityp und lässt diesen an der langen Leine von einem Kollegen nach oben ziehen. Die Brücke applaudiert: „Bravo!“ Rufen sie und auch ich klatsche übermütig in die Hände und schaue lachend meine Mitstreiter an. Wir lächeln uns zufrieden an, als hätten wir einen harten Kampf zusammen ausgetragen. Eine Frau auf einem Fahrrad nickt allen zu: „Na dann, Euch allen noch einen schönen Tag.“

Die Feuerwehrleute packen langsam ihre Sachen zusammen, das Seil wird sorgsam zusammen gerollt, die Leiter hoch- und der Gummianzug wieder ausgezogen.
Die BSR-Jungs vergraben ihre Handys in den Taschen. „Mannmannmann“, brummt der Ältere von den Beiden. „Dit wird jetzt mal jut tausendzweehundert jekostet ham.“

Unverwandt schaue ich auf die allmählich abziehende Feuerwehr. Insgesamt sieben Einsatzleute kann ich zählen. Auch wenn die Katze wohl vermutlich jetzt im Tierheim landet, was wäre die Alternative gewesen als sie für 1200,- € vorm Erfrieren oder Ertrinken zu bewahren???

Ein Hoch auf unsere Berlina Jungs!

 

 

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