Je länger man in Berlin lebt, desto öfter meint man an jeder Ecke jemanden wieder zu erkennen, den man aus einem anderen Kontext heraus schon mal irgendwo getroffen hat.
Auf einer kleinen Vernissage fällt mir eine junge Frau auf, die mir aus irgendeiner unangenehmen Situation heraus bekannt zu sein scheint. Während ich mich etwas verkrampft mit anderen planlos umher stehenden Individuen unterhalte, überlege ich fieberhaft, wo ich ihr begegnet sein könnte.
In irgendeiner Klinik, in der ich mal einen Dienst geschoben hatte? War sie nicht so eine anstrengende Kollegin, die alles besser wusste und viel Aufmerksamkeit zu brauchen schien? Oder hatte ich sie in irgendeiner obligatorischen Supervision mal mit erleben und mir ihre ganzen Probleme für bezahltes Geld mit anhören müssen? Oder war sie nicht sogar eine dieser dünnhäutigen Personen aus dem Kiez, die einen unvermittelt auf der Straße anschreien, weil man ihnen mit dem Bike auf der falschen Straßenseite entgegen kam? Was auch immer es gewesen sein mochte, ich musste irgendwas total Stranges mit ihr erlebt haben.
Ich beobachte sie verstohlen und versuche ihr gleichzeitig aus dem Weg zu gehen. Als ich mit dem Gastgeber für einen Moment allein stehe, zeige ich unauffällig auf ihre Gestalt und frage ihn: „Wer ist das eigentlich? Irgendwoher kenne ich die…“ Er dreht sich in die von mir angedeutete Richtung. „Ach, das ist XY. Das ist doch die gerade so gehypte Schauspielerin hier aus Berlin. Die hat in einer der letzten Folgen von dieser einen Krimiserie die psychisch kranke Schwester von dem Mörder gespielt. Die hast Du doch bestimmt auch gesehen. Total krasse Rolle, aber ist ne super Nette!“
„Äh ja, das glaube ich gern,“ ächze ich. Und definitiv, sie macht einen verdammt guten Job.