Gestern war ich in so einem neuen Schnellrestaurant in Kreuzberg, ziemlich nah gelegen an so einem Dissen-Areal, wo alles um das beliebte Feld Döner, Falafel & Co angeboten wird. Es wirkt alles sehr groß, hell ausgeleuchtet, bunte Bilder von Suppen, Pommes und Burgern, viel Glas, dazwischen Unmengen an Kühlschränken mit vielerlei Flaschen und Dosen darin. Vermutlich stürmen Massen an durstigen und hungrigen Party-People zu den Feierstunden des Clubs von nebenan immer wieder herein.

Auch wenn ich gerade kaum Gäste sehe, wirkt der ältere Herr hinter dem Tresen gestresst und überfordert. Ein Mädchen vor mir kommt zum zweiten Mal nach vorne und fragt nach ihren Pommes. Der Mann wischt sich die Stirn und sagt hastig, er würde sie rufen, wenn sie fertig seien. Mich ignoriert er.

Irgendwann ruft er etwas nach hinten und ein sehr junges, zartes Kerlchen kommt an der Tresen und nimmt lächelnd meine Bestellung auf.

„Einen Falafel, bitte!“ Sage ich.
Er nickt: „Mit was für Pasten drauf?“
Ich: „Bitte nur Humus. Und bitte ohne Zwiebeln.“
Er (sehr ernst): „Wir haben nur Zwiebeln.“
Ich denke, er hat mich nicht richtig verstanden, die Musik in diesem Etablissement ist extrem laut. „Bitte keine Zwiebeln!“
Er schüttelt den Kopf: „Wir verkaufen den Falafel nur mit Zwiebeln.“
Ich gehe immer noch von einem akustischen Problem aus und brülle durch die Geräuschkulisse über die Glasfassade der Theke hinweg: „K-E-I-N-E Zwiebeln!“
Er sieht mich fest an. Ein Lächeln huscht über sein glattes Gesicht und seine Lippen entblößen in einem breiten Grinsen zwei Reihen von silbrig glitzernden Briketts einer festen Zahnspange. Er lehnt sich zurück und lacht lauthals. Schön verarscht. Na, wenigstens einer hat hier Spaß.

Er druckt den Bon aus, hängt ihn hin und verschwindet. Der andere Typ kämpft weiterhin mit unsichtbaren Giganten hinter dem Tresen. Weil ich etwas verloren im Gang rumstehe, gehe ich seufzend raus und setze mich an die Straße; sie werden mich schon rufen, wenn’s wichtig wird.

Nach sehr geraumer Zeit blicke ich mich um, der Stressi bedient bereits eine Dame, die nach mir kam und dahinter sehe ich tatsächlich den Kleenen, die Falafelbällchen auf ein Brot legen. Darüber streut er Schafskäse.
Ich springe auf und rufe: „Oh, keinen Käse bitte!“
Ich bin davon ausgegangen, wenn ich sage ’nur Humus und ohne Zwiebeln‘, dass ich dann auch keinen Käse drauf bekommen würde. Blöde Annahme.
Der Jungsche rollt zu Recht mit den Augen und verzieht genervt den Mund. Er geht nach hinten, ich höre einen Metalldeckel auf- und zuklappen. Oh Backe, das wanderte jetzt unnötigerweise in den Müll…

Doch ich sehe, er hat nur den Belag runter gekratzt und nun schaufelt er mir wieder blasse Tomaten, weißliches Salatgeschnetzeltes und eingefallene Maiskörner drauf. Dann greift er zum bröckligen Schafskäse, nimmt einen riesigen Löffel davon und führt ihn über den Salatberg.

Ich erstarre und schreie reflexhaft los: „K-E-I-N-E-N Käse!“

Er sieht mich ruhig an, den Löffel mit dem Käse bedrohlich dicht über meinem Falafel schwenkend. Sein Gesicht zieht sich auseinander und zwei nahezu organisch wirkende Zahnspangenreihen blinken heller und freudvoller auf als die Leuchtreklame über ihm.