Wenn man dann all jene unüberwindbar geglaubten Situationen von Überforderung mit Hund in Neukölln meint hinter sich gelassen zu haben, dann wirkt die Welt wie eine Scheibe: flach, eindimensional, betretbar ohne weiter nennenswerte Traumatisierungspotentiale. Nicht, dass diese nicht unvermittelt eintreten könnten, doch irgendwann setzt so eine emotionale Verhornung ein, ein durchaus angenehmer Prozess der Abstumpfung; man weiß, alles wird in einem fernen Rauschen von vagen Erinnerungen übergehen, denn die Neuköllner Welt hat ja stets neue Klopper zu bieten.

Der kleine Dackel-Terrier legt eine sehr charmante Hans-Dampf-Energie an den Tag und nicht wenige Passanten sind geradezu entzückt, wenn er Schwanz-wedelnd wie ein kleines Duracell-Häschen ihnen entgegen kommt. Das sehen aber bei Weitem nicht alle so.

An einem frühen Morgen in der Hasenheide nehme ich in der Ferne aus den Augenwinkeln einen nicht mehr ganz jungen Mann mit übergezogener Kapuze und großer Sonnenbrille wahr, an der Leine einen dieser uniformen Trend-Hunde aus Japan. Da die liebliche Senke der Heide noch völlig im Schatten liegt, werden die dunklen Brillengläser wohl eher Ausdruck von Übermüdung sein.

Das Hundchen muss natürlich sofort in die Richtung des domestizierten Fuchses laufen, da schreit der irgendwie nicht ganz ausgeglichen wirkende Typ schon los: „Nimm Deine Töle weg! Sie ist läufig!“

Amüsiert laufe ich hin. „Keine Sorge, das dauert ein bisschen länger, bis da was passiert.“ Und ziehe das widerstrebende Hundchen weg.
Er grummelt. „Trotzdem. Ich will nicht, dass sie schwanger wird. Und schon gar nicht von so einem Neuköllner Straßenköter, der unter irgendeinem Auto am Straßenrand gezeugt wurde.“
Mir bleibt die Luft weg. „Sag‘ mal, hast Du sie nicht mehr alle?“
„Mein Hund hier hat 15.000 Euro gekostet. Die lasse ich mir doch nicht von so einer dahergelaufenen Pomenadenmischung versauen.“
Mir schwant, dass dieser Irre mindestens auf Koks sein muss.
„Du spinnst ja komplett…“ Ich zeige ihm ’nen Vogel.
Er zuckt mit den Schultern. „Das sind halt die Werte, die heute in dieser Welt zählen.“ Sagt mir ein völlig durchgefeierter Junkie in einem schmuddeligen Jogginganzug in der Neuköllner Hasenheide.
„Nein Schatzerle, nicht in dieser Welt. In Deiner Welt.“ Kann ich ihm noch kopfschüttelnd hinwerfen, dann drehe ich mit dem kleinen Liebling ab.
Er grinst etwas schief.

Eine Bekannte trifft ihn ein paar Tage später. Erneut schreit er rum, sie solle ihren Vierbeiner gefälligst fern halten. Seine Hündin sei noch läufig.
„Beruhig Dich mal,“ versucht sie zu beschwichtigen. „Ist doch nichts passiert.“
Er weiter schimpfend: „Weißt Du eigentlich, wie anstrengend das ist, wenn alle paar Sekunden so ein geiler Köter hinter ihr her ist? Ich kann sie ja nicht wochenlang zuhause einsperren. Sie muss doch mal raus an die frische Luft. Ich meine, Du als Frau wirst das ja verstehen.“