Ich habe neulich beim Aufräumen einen Zeitungsausschnitt mit einem Gedicht gefunden, welches ich im Mai 2004 aus dem Tagesspiegel ausgeschnitten hatte.
Die Schauspielerin Ursula Höpfner schrieb es für ihren Mann, den Theaterregisseur George Tabori anlässlich seines 90. Geburtstags (drei Jahre später verstarb er).

Ich stehe überhaupt nicht auf Gedichte. Es ist eine merkwürdige literarische Ausdrucksform, in meinen Sinnen oftmals Emotion- und Struktur-überfrachtet – eine Reduktion auf Welten dahinter, die im Fiktiven landen; was ja grundsätzlich nicht verkehrt ist, dennoch finde ich da kleine Geschichten und Anekdoten zugänglicher, wenn nicht sogar lebendiger.
Es gibt selbstredend großartige Gedichte von noch großartigeren DichterInnen. Vielleicht bin ich noch nicht so weit.

Nun zu diesem Gedicht. Ich halte den vergilbten kleinen Zettel in den Händen und kann immer noch staunen über diese Worte, die sie für ihn findet. Besonders dieser eine Satz: „Sei so schlecht wie möglich.“
Wieviel Vertrauen muss man da zueinander, füreinander und dem Leben selbst gegenüber ent-wickelt haben, um dieses jemanden uneingeschränkt sagen zu können? Und im Herzen zu spüren, dass der andere darum weiß, wie zutiefst vertrauensvoll dieser Satz gemeint ist?
„Sei so schlecht wie möglich“ beinhaltet ja dieses grundlegende Wissen, dass wir weder etwas falsch noch richtig machen können, sondern dass durchweg alles gut so ist wie es ist.
Es ist eine große Aufforderung an diesen Menschen George Tabori, sich zu erlauben, alles aus sich heraus zu holen, zu geben und dieses alles zu sein – ohne irgendeinem Anspruch genügen zu müssen. Im Gegenteil: sich die Freiheit zuzugestehen, in allem auch das andere Ende einer zugedachten Form und Fassung zuzulassen.

Was für eine radikale, bedingungs- und vielleicht auch schonungslose Bitte an ihn, sein ganzes Inneres zu offenbaren. Und damit auch die mögliche Negation all dessen einzuladen, was davor Bestand hatte.
Ich wünsche mir diesen Satz ein Mal selbst aussprechen zu können. Ihn gar ein Mal in mir zu hören.

 

Für George

von Ursula Höpfner

Lass Dir Zeit.
Hab Spaß.
Sei so schlecht wie möglich.
Nimm es nicht zu ernst, es ein Spiel.
Benutze es. Lass es raus.
Und Eleganz. Geduld und Geheimnis.
Das Glück zu ruhen.
Lachen und Schaudern.
Vertrauen und Trauern.
Geschichten erzählen.
Den „König Lear“
wünsch ich dir.
Dazu Tänzer, Sänger, Musiker, Spieler,
Zeit und Raum.
Der Rest ist Liebe.