An ein Schild unserer Praxis hat jemand ein kleines rotes Herz geklebt. Vermutlich mit Spucke hält es sich mühsam an der glatten Oberfläche der Plexiglasbeschichtung fest.

Bei uns läuft gefühlt zu jedweder Uhrzeit munteres Partyvolk vorbei. Das beschert unseren Nachbarn und uns des öfteren Feierutensilien wie viele leere Flaschen, Kaffeebecher, Zigarettenkippen, Scherben, ein eingetretenes Rollo, Schmierereien und „Wand-Tattoos“ aller Art, aber auch manchmal nette Notizzettel, welche solche Allerweltsfloskeln wie: ‚Du bist was ganz Besonderes‘ etc. an Türen und Fenstern in der Straße verbreiten. Manchmal hebe ich einen solchen Zettel für ein paar Tage auf. Auch wenn ich keine Ahnung habe, von wem und an wen diese Notizen in Kleinmädchenschrift gerichtet sind, finde ich es schön, dass jemand eine Nachricht für diese Welt schreibt.

Ich muss zugeben, dass ich heute durch meinen zufälligen Blick auf das Herz sehe, wie schmutzig das Schild geworden ist und habe es geputzt. Das Herz ist dabei abgefallen. Und weil ich nicht selbst auf das Schild spucken möchte, um das Herz wieder dran zu kleben, lege ich es auf den Fenstersims daneben, es wohlweislich seinem Schicksal und dem Wind überlassend. Ein paar Stunden später liegt es nicht mehr dort, sondern klemmt sichtbar im Fensterrahmen dahinter.

Wer oder was auch immer diesem Herzen Beine und Arme zum Klettern verliehen hat, er/sie/es muss ein (ggf. angeheiteter) Engel sein.