Völlig übermüdet steige ich nach einem Nachtdienst an einem Samstag Morgen in den Flieger nach München, ich muss auf eine Trauerfeier. Auf dem Platz neben mir sitzt ein älterer Herr. Ich grüße bewusst freundlich und sage: „Ich muss Sie vorwarnen, ich bin so müde. Wenn ich auf Sie drauf fallen sollte, wecken Sie mich bitte.“ Er lacht ein etwas verlegenes, jedoch aufmunterndes Lachen.

Später – ich bin tatsächlich eingeschlafen – wache ich von heftigen Bewegungen des Flugzeuges im Wind auf. Ich sehe, dass ich mich im Arm meines Nachbarn festgekrallt habe. Er tätschelt mir höflich den Handrücken und schaut respektvoll zur Seite.

Ich entschuldige mich und schlafe wieder ein. Doch das Winden nimmt nicht ab, die Landung verspricht holprig zu werden. Angespannt schaue ich aus dem Fenster, die bayrische Landschaft liegt ähnlich unspektakulär da wie die brandenburgische. Nur ein paar mehr spitze Kirchtürme ragen in den weiten Himmel.

„Es sieht so friedlich aus…“ sage ich. Ich merke, ich brauche jetzt jemanden zum quatschen. Das Mädchen auf der anderen Seite neben mir fällt auch immer wieder mit dem Kopf auf meine Schulter. Die ist nicht zu gebrauchen. Er nickt dezent. Vielmehr ist nicht drin.

Die Landebahn kommt uns näher, die Maschinen kreischen auf. Ich frage mich kurz, wie eine Kamera in diesen Horrorszenen kurz vor einem Absturz das Wackeln der Kabine und der in ihr gefangenen Insassen auffängt – sie wackelt doch mit. Ich kann meinen zurückhaltenden Nachbarn nicht danach fragen, es sind die letzten Sekunden und erneut greife ich nach dem Stoff seines Pullovers. Er schaut kurz auf meinen weißen Finger, lässt mich gewähren und blickt wieder aus dem Fenster.

Die Landung ist mehr als sanft für die stürmischen Verhältnisse, man kann echt nicht meckern. Erleichtert atme ich auf, auch mein Nachbar scheint froh zu sein. Er verabschiedet sich leise, bevor er mit seinem Rollkoffer eilig das Flugzeug verlässt.