Mein älterer Nachbar hatte Geburtstag. Er ist 83 Jahre alt geworden. Ich fragte ihn ein paar Tage zuvor, ob er sich irgendwas zum Geburtstag wünschen würde. Er schüttelte den Kopf, ihm würde nichts einfallen.

Da ich ihn im Sommer unten im Café stets den ‚Tagesspiegel‘ habe lesen sehen, sagte ich, ich könne ihm doch zur Feier des Tages mal wieder jene Zeitung mitbringen. Das fand er gut.

Ein paar Tage nach seinem Geburtstag dann lag der Tagesspiegel auffällig unzerknittert auf seinem Couchtisch.
„Und, hast Du ihn gelesen?“
„Nein.“ Kam es als Antwort.
„Warum denn nicht?“ Fragte ich verdutzt.
„Steht denn da irgendwas Wichtiges drin?“ Er sah mich erwartungsvoll an.

Darauf wusste ich nichts zu sagen.  „Häh… Das verstehe ich jetzt nicht. Du hast doch gesagt, Du hättest gerne den Tagesspiegel.“
„Ja, das stimmt.“ Gab er nach einer kurzen Pause zu. „Aber ich habe doch nicht gesagt, dass ich ihn lesen werde.“

Er musste mein konsterniertes Verstummen bemerkt haben, denn er fügte beschwichtigend hinzu: „Ich lese ihn ja noch. Ich weiß nur noch nicht, wann.“