Manchmal muss ich durch Mitte. Also richtig durch Mitte – an den Museen und dem Dom vorbei und ein jedes Mal bin ich gestresst wegen all der entspannten Menschen dort, die ich auf nicht vorhandenen Radwegen „um-fahren“ muss (manchmal mache ich mir einen Spaß draus, konstant auf sie zu zu steuern und im letzten Moment weg zu drehen, sie springen so schön zur Seite – nur ein Mal ist ein italienisches Mädel leider zur Gleichen gehüpft).
Klar, wir sind alle Touristen – fast überall auf der Welt. Und manchmal überlege ich schon fast eine Petition mit zu unterschreiben, wo es darum geht, Touristen in geordneten Reservaten zu sammeln und dort virtual reality-Stadtführungen anzubieten (vielleicht gleich am easyjet-Terminal, dann müssen sie gar nicht erst rein in den gefährlichen Großstadt-Dschungel).

An einem verregneten Nachmittag düse ich also durch Mitte, an der alten Nationalgalerie vorbei und auf dem Gehweg kommt mir so ein Tourie-Teenie entgegen geschlurft, allein, mit Kopfhörern, größer als sein weichliches Gesicht. Den Mund etwas debil geöffnet, glotzt er die Baustellen rund um dieses unsägliche Schloß herum an; sein Ziel ist wahrscheinlich das Tor da vorne mit den Pferden drauf.

Auf seiner Höhe sitzt eine Frau in der feuchten Kälte an ein Brückengelände gelehnt, die Beine herangezogen, ein Pappbecher zu ihren Füßen.

Der Tourie-Lümmel schaut nicht einmal hin, er sieht vielleicht maximal eine am Boden sitzende Person, wohlmöglich noch gerade so einen zerfledderten Becher. Seine Hand fasst ungerührt in die Hosentasche, zieht etwas hinaus und legt es in einem geschmeidigen Ausfallschritt in den Becher hinein.

Was mich stocken lässt in dem Moment: es war eine völlig unspektakulär und routiniert wirkende Bewegung. Ich habe ihn nicht nachdenken sehen. Da war nichts Überlegtes.
Er tat es einfach. So wie er ein Taschentuch in einen Mülleimer geworfen hätte – reflexhaft den Gesetzen folgend, von Menschen gemacht. Als würde es sich so für ihn gehören.

Nach den immer mal wieder auftauchenden Diskussionen, ob man Menschen, die um Hilfe bitten, etwas geben soll oder nicht, kommt mir diese kleine Geste dieses Jungen wie ein unverwandter Hammerschlag auf den Kopf im Berliner Nieselregen vor. Nicht nachdenken. Einfach machen.