Gestern war ich auf einem Konzert. Ich wollte erst nicht hingehen. Neue Musik, das ist was für Menschen einer höheren intellektuellen Entwicklungsstufe. Ich bin durchaus aufgeschlossen für viele Ausformungen von Kreativität, aber für eine absichtlich disharmonisch wirkende Aneinanderreihung von was-auch-immer für Geräuschen auf gängigen Instrumenten geht mir jegliches Verständnis, vielleicht auch Toleranz ab.

Ein Mal war ich bei einem Konzert, wo „Musik“ (das muss ich hier in Anführungszeichen setzen) von Adorno gespielt wurde. Ich kann es nicht anders sagen, aber es war einfach nur furchtbar (und) anstrengend. Meine Mutter schlief neben mir ein. Sie ist mit der Gabe gesegnet, bei jeglichem Krach an Ort und Stelle weg zu ratzen. Hinterher sagte sie munter, dass sie das Konzert gut fand.

Seither bin ich geprägt von stoischen Vorurteilen gegenüber allen Experimenten mit Tönen und Klängen, die nicht Hitparaden-gängig sind.
Nun sind zwei meiner Nachbarn Sounddesigner und Komponistin. Meinem vielfach wiederholten ‚jaja, ich komme das nächste Mal auf jeden Fall vorbei‘ ließ ich diesmal Taten folgen, die Veranstaltung war auch gleich um die Ecke.
Das Konzept für das Konzert sei Music by Humans and Machines, so erzählt es meine Nachbarin dem Publikum.
Und in der Tat finden sich wundersame Geräte, Werkzeuge und kleinere Maschinen in einem wilden Konstrukt zusammen, ein Miniatur-Fuhrpark aus metallenen Gegenständen und Drähten, auseinander gezogenen Sprungfedern von Lampen sowie deren Schirmen, an denen gewienerte Geigenbögen, Münzen und Becher entlang schaben, kratzen, trommeln und schwingen, wellenartig elektronisch unterlegt.

Mit dem ersten Klang (und selbst für dieses Wort müsste man hier ein neues Wort finden) bin ich verzaubert. Der Weltraum um uns herum bekommt etwas Haptisches, etwas, was sich in den inneren Gängen der Ohren entwirrt und so etwas wie einen greifbaren Bezug anbietet.

Holzstiele streichen an den Instrumenten entlang, an Bögen aus gespannten Metall in Rhythmen, die wie vorgegeben erscheinen, von den Dingen diktiert. Dahinter ein Bass mit einem Mann, welcher eine tiefe Grundierung schenkt, die ebenso wage und wie zerbrechlich entschwindet, sobald die Finger von den Saiten ablassen.

Ich muss an die Bilder von all dem Weltraumschrott in den Nachrichten der letzten Tage denken, welche in bedrohlicher Dichte und Fülle um die Erde schwirren. Die animierten Bilder in der Tagesschau liefen ohne Ton, ganz still flitzten Teile von Satelliten um unseren Planeten. Hier werden sie von den vier Menschen mit ihren Maschinen eingefangen, ihre Melodie in einer zärtlichen Choreographie. So lange, bis auch diese mit jenem Momenthaften der Musik verfliegt.